Bewahrung des kulturellen Erbes
Der Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten - das war in diesem Jahr das Thema der 27. Tagung von Experten des Humanitären Völkerrechts am 24. und 25. März in Ettlingen bei Karlsruhe. Die Referate und Diskussionen drehten sich sowohl um die völkerrechtlichen Grundlagen wie auch um die Chancen der Umsetzung und der Strafverfolgung. Zentraler Satz in der Präambel der entsprechenden "Haager Konvention" ist: "Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, bedeutet eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit".
In seiner Einleitung in das Thema umriss der Vizepräsident des DRK, Dr. Volkmar Schön, der selbst promovierter Archäologe ist, die Spannweite des Themas. Es gehe um weit mehr als um die Bewahrung von Bauwerken. Neben der Zerstörung von Kulturen und deren Symbolen gehe es auch um Raubgrabungen, um den Handel mit Kulturschätzen zur Kriegsfinanzierung, um Geiselnahmen und Folter zur Erpressung von Informationen über versteckte Kulturschätze. Laut Befragungen räumen auch weite Teile der Bevölkerung dem Schutz von Kulturgut einen hohen Stellenwert ein.
Laura Hofmann zeigte die unterschiedlichen Schutzmechanismen für Kulturgüter vor: Die Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten aus dem Jahr 1954 ("Haager Konvention) und die Welterbekonvention aus dem Jahr 1972. Hinzu kamen 2001 und 2003 ein Übereinkommen über den Schutz von Unterwasser-Kulturen und eine Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes.
Dr. Heike Spieker erläuterte, dass die Haager Konvention die Parteien dazu verpflichte, auf eigenem Territorium etwas zum Schutz von Kulturgütern zu tun - und zwar bereits in Friedenszeiten. Allerdings müsse – auch gemäß dieser Konvention – nach wie vor bei militärischer Notwendigkeit der Schutz der Kulturgüter zurückstehen. Ein Problem für den Schutz sei zudem die große Nähe der meisten Kulturgüter zu militärischen Zielen.
Reinhold Jahnke stellte heraus, welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Zerstörung von Kulturgütern, Infrastruktur und systematischem Mord und Vertreibung. Mit eindrucksvollen Beispielen und persönlichen Erfahrungen aus dem Jugoslawien-Krieg schilderte er, wie unter Anderem auch durch die Zerstörung von Kirchen, Schulen und Kulturdenkmälern versucht wird, die soziale, kulturelle Identität von Volksgruppen zu vernichten ("Kultureller Völkermord").
Am zweiten Tag präsentierte Dr. Karl Edlinger die Richtlinie für den militärischen Kulturgüterschutz in Österreich. Dazu gehören auch "Kulturgüterschutzoffiziere", die sowohl bei der Vorbereitung und der Durchführung von militärischen Übungen und Einsätzen mitwirken als auch Fortbildungen und Übungen durchführen. Dies erhöht die Chance enorm, bereits im Vorfeld von (Kampf-)Handlungen die richtigen Vorbereitungen zu treffen, damit Kulturgüter geschützt oder auch durch Abtransportieren gerettet werden können.
Eleni Chaitidou legte dar dass die internationale Gemeinschaft nicht nur Verbrechen gegen Menschen bestraft, sondern auch Vergehen gegen Kulturgüter: Als Leiter einer islamistischen "Moralpolizei" war Ahmad Al Mahdi im Juli 2012 für die Zerstörung von neun Mausoleen von Heiligen und Philosophen sowie einer Moschee in Mali verantwortlich gewesen. Al Mahdi war danach im Jahre 2016 der erste Angeklagte, der sich wegen der Verwüstung von historischen und religiösen Gebäuden vor einem internationalen Gericht verantworten musste. Erstmals wurde damit die Zerstörung des kulturellen Erbes eines Volkes als Kriegsverbrechen geahndet Das Strafmaß: neun Jahre Haft.
Tural Mustafayev schließlich wies im letzen Vortrag der Tagung darauf hin, dass der Stellenwert des Schutzes von Kulturgütern wachse. Auch sei eine wachsende internationale Unterstützung für dieses Ziel zu beobachten. Auch Nichtregierungsorganisationen und zwischenstaatliche Organisationen wie die UNESCO könnten sich mittlerweile intensiver in die Schutzbemühungen einbringen. Von Deutschland und dem Roten Kreuz wünschte sich Mustafayev noch mehr Unterstützung und Engagement.
Die Tagungsthemen:
- "Das Verhältnis von friedensrechtlichem und humanitär-völkerrechtlichem Kulturgüterschutz“, <i>Laura Hofmann,</i> Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht, Ruhr-Universität Bochum
- "Regeln zum Schutz von kulturgut in bewaffneten Konflikten", <i>Dr. Heike Spieker</i>, DRK-Generalsekretariat, Berlin
- "Die Bedeutung von Kulturgütern für nationale/kulturelle/religiöse Identität am Beispiel des "kulturellen Genozids"”, <i>Oberst i.G. Reinhold Janke</i>, Zentrum Innere Führung, Bundeswehr, Koblenz
- „Der Schutz von Kulturgut in militärischen Operationen am Beispiel des österreichieschen Bundesheeres“, <i>Brigadier Dr. Karl Edlinger</i>, Militärkommando Niederösterreich, St. Pölten
- „Die strafrechtliche Verfolguing von Verstößen gegen den Kulturgüterschutz (insbesondere im Hinblick auf das Al Mahdi-Verfahren)“, <i>Eleni Chaitidou</i>, Internationaler Strafgerichtshof, Den Haag
- „Implementation of the 1954 Hague Convention and its two Protocols: Challenges and Opportunities“, <i>M. Tural Mustafayev</i>, UNESCO Headquaters, Paris
Veranstalter der Tagung sind das Bundesministerium der Verteidigung (Zentrale Ausbildungseinrichtung für die Rechtspflege der Bundeswehr), Deutsches Rotes Kreuz (Generalsekretariat und Landesverband Baden-Württemberg) und Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum.
Die Tagung ist im Laufe der Jahre zum stehenden Begriff und zum festen Bestandteil eines langjährigen, überaus erfolgreichen Gedankenaustausches zwischen Wissenschaftlern, Rechtsberatern und Rechtslehrern der Bundeswehr und des Deutschen Roten Kreuzes sowie des Internationalen Roten Kreuzes, den Vertretern der Ministerien sowie interessierten Gästen, auch aus dem Ausland, geworden.